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Helmfried Meinel in Interview

Helmfried Meinel ist seit 2023 Vorstandsmitglied des EnergieVision e. V., dem Trägerverein des Ökostromsiegels ok-power. Im Interview erzählt er, wieso er den Verein eigentlich schon viel länger kennt und spricht über seine Visionen für eine erfolgreiche Energiewende.

 

ok-power: Helmfried, du bist seit 2023 Vorstand des EnergieVision e. V., kennst den Verein aber schon viel länger und warst sogar an dessen Gründung vor 24 Jahren beteiligt. Wie kam es dazu?

Helmfried Meinel: Das ist richtig. Im Gründungsjahr von EnergieVision war ich als Bereichsleiter bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen unter anderem für das Thema Energie zuständig. Gemeinsam mit Kolleg:innen vom Öko-Institut und vom WWF haben wir uns das Thema Ökostromkennzeichnung genauer angeschaut und kamen auf die Idee, ein Gütesiegel ins Leben zu rufen, das einen Zusatznutzen bei Ökostrom ausweist. Der Ökostrom, den es damals gab, kam nämlich zum Großteil aus Wasserkraftwerken, zum Beispiel in Norwegen oder Österreich. Da gab es allerdings keinen Ausbauimpuls aufgrund der Marktentscheidung der Verbraucher:innen.

Auch die Dynamik, die später durch das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) entstand, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Die Idee war also, mit ok-power einen Marktimpuls zu setzen, um den Ausbau von Erneuerbaren anzukurbeln. Das ist auch bis heute ein Kerngedanke.

 

 

Wie wurden damals die Kriterien für das Siegel festgelegt?

Vor der Gründung haben wir uns natürlich überlegt, mit welchem Nachweisverfahren wir guten Ökostrom charakterisieren können. Da es uns stark um den Ausbau von Anlagen ging, haben wir uns schnell auf ein Modell geeinigt:

Ein Drittel des Stroms musste aus Neuanlagen stammen – eine Neuanlage durfte sechs Jahre als solche gewertet werden. Das zweite Drittel aus „mittelalten“ Bestandsanlagen, die sieben bis zwölf Jahre alt waren, und das letzte Drittel durfte aus älteren Anlagen stammen. Auch ältere Anlagen zu berücksichtigen war uns wichtig, da eine Erneuerbare-Energien-Anlage eine Lebensdauer von rund 20 Jahren hat, der ganze Ausbau ja auch finanziert werden muss und die Anbieter ihre Bestandsanlagen natürlich auch bis zum Ende ihrer Lebensdauer nutzen sollen.

Seit der Gründung haben wir die Kriterien laufend weiterentwickelt und dem Markt angepasst, aber das war damals der Anfang.

 

Gab es damals auch schon einen Kriterienbeirat, so wie jetzt?

Nicht direkt. Wir haben schon ganz am Anfang einen wissenschaftlichen Beirat gegründet, mit dem wir aber eher die generellen Entwicklungen auf dem Ökostrommarkt besprochen haben. Die Kriterien haben wir zunächst einmal selbst im Verein festgelegt.

 

Deine Zeit beim EnergieVision endete fürs Erste mit deinem Ausstieg bei der Verbraucherzentrale NRW. Was kam dann?

2011 wurde ich Amtschef des Umweltministeriums in Baden-Württemberg unter Minister Franz Untersteller. Dieses Amt habe ich über zehn Jahre ausgeführt. Dabei unterlag ich dort natürlich der Neutralitätspflicht und wollte auch jeden möglichen Anschein eventueller Interessenkonflikte vermeiden. Das heißt, vor der Ernennung zum Ministerialdirektor trat ich aus dem EnergieVision e. V. aus. Zu diesem Zeitpunkt war ich ebenfalls seit neun Jahren im Vorstand des Öko-Instituts, das ich ebenfalls als Mitglied verlassen habe.

Vor gut zwei Jahren bin ich in den Ruhestand gegangen und habe mich als Berater für die Themen Energie, Klimaschutz und Ressourceneffizienz selbstständig gemacht. Außerdem bin ich wieder in den Vorstand des Öko-Instituts gewählt worden und wurde letztes Jahr von dort in den Vorstand des EnergieVision e. V. entsandt. So schließt sich der Kreis – auch, wenn sich beim EnergieVision seit der Gründung einiges verändert hat. Die Verbraucherzentrale und der WWF sind schon länger als Vereinsmitglieder ausgestiegen, jetzt wird der Verein vom Öko-Institut und vom Hamburg Institut getragen. Das Ziel, guten Ökostrom für alle erkennbar zu machen und die Energiewende aktiv voranzubringen, ist aber geblieben.

 

24 Jahre sind eine lange Zeit – Wie hat sich der gesellschaftliche Blick auf die Energiewende seit der Gründung des ok-power Siegels entwickelt?

Grundsätzlich habe ich in den letzten Jahrzehnten ein steigendes gesellschaftliches Bewusstsein für die Notwendigkeit der Energiewende wahrgenommen. Seit Corona und dem Krieg in der Ukraine tritt dieses aber immer stärker in den Schatten einer großen Verunsicherung – obwohl die Notwendigkeit objektiv nicht weniger geworden ist. Mir persönlich ist aktuell das Gefühl, dass alle dafür sind, verloren gegangen. Mal gucken, ob es wiederkommt. Auch in Anbetracht der vergangenen und anstehenden Wahlen muss man sehen, wohin es geht.

Gleichzeitig halte ich die Klimaziele der EU und die Klimaschutz-Architektur im Rahmen des Green Deals für sehr standfest. In Deutschland wurde im Sommer 2021 noch von der alten Bundesregierung beschlossen, bis 2045 klimaneutral zu werden. Das ist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurückzuführen, das den Tenor hatte, die Kosten der Klimaschäden nicht auf kommende Generationen zu überwälzen. Daran kann man meiner Meinung nach schon seine Strategien ausrichten. Im Kern würde ich also sagen, geht es dem Klimaschutz nicht an den Kragen.

 

Da bist du noch optimistischer als andere…

Ich bin besorgt, ohne Frage, aber trotzdem optimistisch, dass die Grundpfeiler bestehen bleiben.

 

 

Was können EnergieVision und ok-power dazu beitragen?

Ich finde das Engagement für den freiwilligen Ökostrommarkt, also für die Verbraucher-Nachfrage, zeitgemäßer denn je. Wenn mehr Menschen ok-power zertifizierten Strom beziehen, geht auch die Energiewende schneller voran – davon profitieren alle. 

Bis vor Kurzem war ich der Ansicht, je höher der CO2-Preis, desto besser. Das sehe ich jetzt differenzierter. Der CO2-Preis wird und muss natürlich steigen, um klimaverträglichere technische Alternativen in den Markt zu bringen. Aber ein sehr hoher und schnell steigender CO2-Preis ist eigentlich kein gutes Signal, sondern eher eines der Dysfunktionalität. Wenn der CO2-Preis sehr stark gestiegen ist, ist das sprichwörtliche Kind bereits in den Brunnen gefallen. Es wäre besser, schon vorher in die notwendige Transformation zu investieren. Das heißt, wir sollten gerade jetzt noch mehr Menschen von hochwertigem Ökostrom und den Zusatzqualifikationen von ok-power überzeugen. Wer kann, sollte da seine Möglichkeiten ausschöpfen.

 

Seit letztem Jahr bist du gemeinsam mit Dominik Seebach vom Öko-Institut im Vorstand des EnergieVision e. V. Was sind da eure Aufgaben?

Eigentlich genau das umzusetzen, was ich gerade beschrieben habe. Das ok-power Siegel soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern helfen, hochwertigen Ökostrom zu erkennen und mit dessen Bezug einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Der EnergieVision e. V. leitet als Träger das Siegel. Als Vorstand schauen wir, dass alle operativen Prozesse gut laufen und tragen unseren Teil dazu bei, das Vertrauen in den Markt zu stärken. Wir stellen natürlich auch sicher, dass alles, was wir machen, Hand und Fuß hat, wir gut aufgestellt sind und so die Transformation des Energiesystems sinnvoll unterstützen.

 

Was braucht es deiner Meinung nach noch für eine erfolgreiche Energiewende?

Wir wissen, dass viele Dinge nicht schnell genug gehen. Der Netzausbau muss schneller vorangehen und wir haben noch keine Systemintegration. So hilfreich die Marktliberalisierung in den 90ern war, so sehr sehen wir mittlerweile auch die Nachteile. Jeder Akteur und jede Ebene macht ihr’s und es gibt keinen Akteur, der für die ökonomische Optimierung des Gesamtsystems verantwortlich ist. Da muss man sich nicht wundern, dass der Strompreis höher ist, als das nötig wäre.

Ich habe schon den Eindruck, dass die Beschleunigungen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, langsam wirken. Aber natürlich ginge da immer noch mehr.